Burchdörfli – Stadtrat veranlasst Prüfung bezüglich Denkmalschutz

Am Samstag flatterte ein Brief in unseren Briefkasten, dass geprüft wird, ob unser Haus unter den Denkmalschutz gestellt werden soll. Betroffen ist nicht nur unser Haus, sondern über 30 weitere Parzellen im Bereich der Glaubtenstrasse, Primelstrasse, Erchenbühlstrasse, Agleistrasse, Obsthaldenstrasse und Wehntalerstrasse.

Bild Stadt Zürich Katasterplan: grün Burch Häuser gemäss Hinweis einer äteren Bewohnerin.

Alle Gebäude wurden in den 30er Jahren durch die Schreinerei Leo Paul Burch nach dem gleichen Muster erstellt (siehe Katasterplan). Es gibt zwei Haustypen, einen mit Satteldach und einen mit Pyramidendach. Beim Stadtarchiv sind die ursprünglichen Baupläne verfügbar. Allerdings gibt es für alle Häuser jeweils nur einen Plan. Bei unserem Anbauprojekt 1999 zeigte sich, dass eine Reihe der Häuser einen Meter breiter gebaut wurde, als auf dem Plan vermasst. Mein Urgrossvater kaufte mehr oder weniger mittellos am 14. Oktober 1931 Leo Paul Burch ein neues Haus an der Agleistrasse für 26’000.- CHF ab. Die Nachbarn kamen ebenfalls aus eher einfachen Verhältnissen und arbeiteten als Fabrikarbeiter oder Handwerker. Die Bauweise, «Dachlattenbeton» im Fundament, Doppelschalenmauerwerk auf einem quadratischen Grundriss und einem einfachen Dachstock war bei allen Häusern identisch. Ursprünglich verfügten die Häuser über eine Sickergrube und hatten keinen Anschluss an die Kanalisation. Der Garten war komplett auf Selbstversorgung ausgerichtet. Die ganze Fläche diente als Gemüsegarten, Beeren und an den Wänden war Spalierobst. Es gab keinen Rasen, keine Hecken für Sichtschutz und keinen Ziergarten. Ich bin gespannt, ob die Gartendenkmalpflege das Rad soweit zurückdreht.

Geklärt wird nun, ob das ganze Areal unter Denkmalschutz gestellt werden sollte. Der Entscheid des Stadtrates kommt überraschend. Vor zwei Jahren, als es darum ging die im Inventar Schützenswerter Ortsbilder des Bundes aufgeführten Areale und Gebäude in die BZO aufzunehmen, hat er die Schutzwürdigkeit verneint. Warum sich seine Haltung in einem denkmalschützerischen extrem kleinen Zeitraum von nur zwei Jahren 180 Grad gedreht hat, lässt sich nicht erklären und ist auch für unseren Kreisarchitekten nicht nachvollziehbar. Das Vorhaben steht im krassen Widerspruch zu den Zielen der 2’000 Watt-Gesellschaft, der Schaffung von günstigem Wohnraum für Familien, der Energiewende und der geplanten Verdichtung der Bauten im neuen Siedlungsplan. In einem anderen Fall GR Nr. 2021/101 hat der Stadtrat anders entschieden.

Auslöser ist sicher das Bauprojekt von drei jungen Familien (Geschwister). Sie planen ein Dreifamilienhaus, das sie selber mit ihren Kindern bewohnen wollen. Der Boden lässt sich so besser nutzen, als mit einem Einfamilienhaus. Der ökologisch geplante Bau aus Holzelementen umfasst Wärmepumpe, Solaranlage für eine Ressourcenschonende Energienutzung und einen naturnahen Garten mit einer hohen Biodiversität. Ein Nachbar und zwei Quartieranwohner stören sich daran, dass das Projekt das gesetzlich mögliche Bauvolumen ausnutzt und einen ökologischen familienfreundlichen Farbtupfer in einem in die Jahre gekommenen Ortsbild setzt. Drei betagte Ehepaare im Pensionsalter haben daher den Antrag gestellt, alle Burchhäuser unter Denkmalschutz zu stellen.

Damit wird die ursprüngliche Idee der Arbeiterhäuser in doppelter Hinsicht pervertiert. Mit der beabsichtigen Unterschutzstellung löst man einen weiteren Kostenschub aus, was den Unterhalt und die Weiterentwicklung der Liegenschaften anbelangt. Es ist leider so, wenn der Denkmalschutz am Tisch sitzt, wird es immer teurer. Wer schon mit dem Denkmalschutz gebaut hat, weiss dass der Falll Asphof an der Rümlangerstrasse in Seebach (siehe Artikel des Beobachter) kein Einzelfall ist. Die Immobilienpreise liegen jetzt schon in einem Bereich, den sich nur Vermögende leisten können. Damit ist man meilenweit entfernt von der Intention von Leo Paul Burch, günstigen Wohnraum für Handwerker zu schaffen, geschweige denn, diesen durch die Unterschutzstellung zu konservieren.

Ein weiterer Punkt betrifft den Absolutheitsanspruch alle Liegenschaften unter Schutz zu stellen. Wenn das ein Grundeigentümer für sein Grundstück prüfen will, kann ich es nach vollziehen und habe nichts dagegen. Wenn aber in Folge des Neubauprojekts alle Besitzerinnen und Besitzer eines Burch-Hauses mit der Unterschutzstellung «abgestraft» und im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Liegenschaft «zwangsenteignet» werden, dann kann ich das nicht nachvollziehen. Es wird ein weiteres Freilichtmuseum geschaffen, das mit dem Wandel der Wohnbedürfnisse der Zeit nicht mithält. Gerade die Covid-Pandemie hat gezeigt, dass sich die Situation bezüglich Wohnen und Arbeiten schnell verändern kann. Daraus werden auch neue Raumbedürfnisse an eine zeitgemässe Architektur entstehen. Die Überalterung der Gesellschaft wird zudem mehr Mehrgenerationenhäuser erfordern, die barrierefrei sind. Die Art der Bauten müssten flexibler und schneller veränderbar sein und nicht auf einem Stand von 1930 eingefroren werden.

Mit den heutigen Digitalisierungstechnologien wie Virtual Reality oder Augmented Reality existieren gute Möglichkeiten die Siedlung digital zu konservieren und der Nachwelt zu erhalten. Eine Unterschutzstellung des ganzen Areals macht absolut keinen Sinn.

In der Zwischenzeit hat sich die IG Burchdörfli konstitutiert. Sie will sich gegen eine Unterschutzstellung zur Wehr setzen und den interessierten eine Plattform für den Erfahrungsaustausch und die Koordination verschiedener Aktivitäten bieten.

Kontakt für Fragen und Anregungen zum Artikel: christian.hirt@gmail.com

Dokument: Schreiben der Denkmalpflege

1 Gedanke zu „Burchdörfli – Stadtrat veranlasst Prüfung bezüglich Denkmalschutz“

  1. Würde es sich um die auf dem eingangs, mit uraltem Foto, gezeigten Häuschen handeln, könnte man dem Begehren ja noch ein gewisses Verständnis entgegen bringen. Doch der Status quo schaut nicht so aus. An den allermeisten Häuschen wurden im Laufe der Jahre etliche Veränderungen, An, Um -und Ausbauten vorgenommen, zum Teil auch von den derzeitigen Initianten der Unterschutzstellung, so dass man längst nicht mehr von einer homogenen, kompakten Überbauung sprechen kann. Angesichts dessen kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass es den Antragstellern nicht um denkmalpflegerische Aspekte geht, sondern um die Durchsetzung einer Bauverhinderung, rein egoistischen Motiven entspringend. Nach dem Motto, was kümmern mich bezahlbare Familienwohnungen, oder verdichtetes Bauen, ich habe gebaut, es reicht jetzt! Auch bekannt unter dem Namen „St. Florians Prinzip“. An und für sich habe ich von der Denkmalpflege eine gute Meinung und traue ihr hohe fachliche Kompetenz zu, würde sie vorliegendes Begehren aber gut heißen, wäre ich ehrlich enttäuscht.

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