Kelten und Römer am Gubrist

 

 
Herausragende Funde werfen ein Schlaglicht auf die Bestattungskultur, die gesellschaftliche Stellung, das Bauen und Gewerbe.

2009–2014 legte die Kantonsarchäologie am Fuss des Gubrist 12 500 m2 frei. Heute befindet sich hier der Installationsplatz für die Bauarbeiten der dritten Tunnelröhre. (Foto: Kantonsarchäologie Zürich)
 

Zwischen Zürich-Affoltern und Regensdorf wird zurzeit die dritte Röhre des Gubristtunnels gebaut. Sondierungen im Jahr 2008 bestätigten die Vermutung, dass im Areal des vorgesehenen Installationsplatzes archäologische Überreste vorhanden sind. Um Strukturen zu dokumentieren und Fundobjekte zu bergen, führte die Kantonsarchäologie von 2009 bis 2014 auf einer Fläche von 12’500 m2 eine Rettungsgrabung durch. Das Bundesamt für Strassen ASTRA finanzierte als Bauherrschaft die umfangreiche Ausgrabung und die daran anschliessende Auswertung. Deren Resultate übertrafen sämtliche Erwartungen.

Entdeckungen quer durch die Jahrtausende
Die Überreste einer Feuerbestattung auf dem Scheiterhaufen wurden in dieser Urne beigesetzt. Das Labor der Kantonsarchäologie fand darin zahlreiche Fragmente, die einst zu einem Pferdegeschirr mit Ringen aus Bronze und einer Trense aus Geweih gehörten. (Foto: Kantonsarchäologie Zürich)
 

Von der Mittelsteinzeit bis in die jüngsten Jahrhunderte hinterliessen Menschen ihre Spuren am Gubrist. Am Anfang der beeindruckenden Chronologie stehen Geräte aus Feuerstein, die Jägern und Sammlern auf ihren Streifzügen irgendwann zwischen 9200 und 6700 v. Chr. verloren gingen. Keramik und eine Herdstelle belegen erste Niederlassungen in der Frühbronzezeit um 1600 v. Chr., aus den nachfolgenden Jahrhunderten stammen Pfostengruben hölzerner Bauten und Werkgruben von gewerblichen Tätigkeiten. Begeisterung löste ein keltischer Bestattungsplatz aus dem 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. aus, der weitherum einmalig ist. Eine dichte Abfolge von Bauten hinterliessen die Römer in den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung. Und mit den römischen Strassen setzte eine kontinuierlich nachweisbare Reihe von Strassengenerationen bis in die Neuzeit ein – der untersuchte Kleinraum lag schon damals an einem wichtigen Verkehrskorridor.

Eine keltische Elite mit weitreichenden Beziehungen
Römische Grabbeigaben für eine einflussreiche Person: Ein kompletter Satz Tafelgeschirr mit Trinkgefässen und Kochkeramik. (Foto: Kantonsarchäologie Zürich)
 

Die grosse Überraschung der archäologischen Untersuchung am Gubrist ist die Entdeckung eines Bestattungsplatzes aus der späten Eisenzeit. Zur imposanten Anlage gehörten vier Körperbestattungen, acht Brandgräber, zahlreiche Grabbeigaben und die Fundamente von drei Grabmonumenten. Den Verstorbenen gab man unter anderem eine Bronzepfanne, eine Öllampe aus Ton und Pferdegeschirr mit ins Grab, ja sogar die Pferde selbst. Qualitätsvolle Importware und Pferdegeschirr waren damals im Gebiet der Helvetier der höchsten Gesellschaftsschicht vorbehalten.
Beigaben dieser Art kennt man in der Schweiz lediglich von einer Fundstelle im Kanton Freiburg. Noch gar keine Parallelen gibt es zu den Grabdenkmälern, von denen am Gubrist kreisförmige Steinfundamente freigelegt wurden. Ihre Gestaltung lässt Bezüge zur römischen Architektur erkennen und legt damit Kontakte zum Kulturkreis südlich der Alpen nahe. Zweifellos residierten an der «Goldküste des Katzensees» Familien des helvetischen Adels, Vertreter jener «nobilissimi», die Julius Caesar in seinem Gallischen Krieg beschreibt. Vielleicht spielten sie sogar im nicht weit gelegenen keltischen Oppidum im heutigen Zürich eine bedeutende Rolle.

Ein Grabmonument für die keltische Elite – ein einmaliger Befund! Das Fundament misst etwa 6 auf 10 Meter. (Foto: Kantonsarchäologie Zürich)
 

Die Lücke im römischen Siedlungsnetz schliesst sich
Fünf Strassengenerationen aus einem Zeitraum von 100–1000 n. Chr. bilderbuchmässig freigelegt. (Foto: Kantonsarchäologie Zürich)
 

Bereits im 19. Jahrhundert wurden Fachleute auf römische Gebäudereste unterhalb des Hofs Geissberg aufmerksam. Die jüngsten Ausgrabungen bestätigen die Existenz einer Siedlung mit Landwirtschafts- und Gewerbebauten. Die Baugeschichte eines mehrfach erneuerten Pfostenbaus lässt sich sogar vom 1. bis zum 3. Jahrhundert detailliert nachverfolgen. Ein kanalartiger Graben und ein befestigter Platz unterstreichen das hohe bauliche Niveau der Anlage. Wiederum verraten reiche Grabbeigaben die Anwesenheit einer angesehenen Personengruppe. Vielleicht waren es sogar Nachfahren des keltischen Adels, die nach der Niederlage in der Schlacht bei Bibracte in ihre Heimat zurückgeschickt wurden.
Bei der römischen Siedlung am Gubrist handelt es sich vermutlich um einen Gutshof, dessen Hauptgebäude noch unentdeckt weiter oben am Hang lag. Er ist somit ziemlich genau auf halbem Weg zwischen den beiden archäologisch nachgewiesenen Gutshöfen in Dällikon und Zürich-Affoltern lokalisiert. Zusammen mit der Anlage in Buchs und weiteren Siedlungshinweisen auf der gegenüberliegenden Talseite zeichnet sich nun ein regelmässiger Siedlungsraster im Furttal in römischer Zeit ab. Dazu gehört eine Strasse, die am Gubrist ab dem 1. Jahrhundert fassbar ist und Teil der Verbindung von Zürich nach Baden und Windisch (Vindonissa) war.

Weiterführende Informationen und zusätzliche Bilder finden Sie im Blog der Kantonsarchäologie: ad.zh.ch.

Keltische und römische Eliten im zürcherischen Furttal. Gräber, Strassen und Siedlungen von der Frühbronzezeit bis in die Neuzeit: Ergebnisse der Rettungsgrabungen 2009–2014 in Regensdorf-Geissberg/Gubrist. Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 53 (Zürich/Egg 2019)

Schreibe einen Kommentar